von Rudolf Wagemann
Am Donnerstag, dem 3. Februar 2022, ist Rudolf Hilger auf dem Friedhof in Stolberg-Venwegen zu Grabe getragen worden. Am 9. August 1928 in Kornelimünster geboren, hatte er in den 1950-er Jahren nach Venwegen geheiratet, dort mit seiner Frau Bernhardine, geb. Wagemann, eine Familie gegründet und ein Haus am Rand des Münsterwaldes gebaut.
Rudolf Hilger war seinem Geburtsort und der Heimat- und Regionalgeschichte des Münsterländchens stets eng verbunden. Mit ihm verliert der Heimat- und Eifelverein Kornelimünster e. V., dem er fast 70 Jahre lang die Treue gehalten hat, nun ein Ehrenmitglied. Er gehörte zu dem eher kleinen Kreis derer innerhalb des Vereins, die nicht so sehr dem Wandern zugetan sind, sondern sich hauptsächlich mit der Geschichte beschäftigen, besonders mit der Heimatgeschichte. In ihr spiegelt sich im Kleinen, was sich im Großen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem während und infolge der Nazidiktatur ereignete:
Rund ein Jahr nach Rudolfs Geburt, im August 1928, riss die Weltwirtschaftskrise die Mehrheit der Bevölkerung auch in Kornelimünster für Jahre in die Armut. Seine achtjährige Volksschulzeit hindurch war Rudolf der Propaganda des NS-Regimes ausgeliefert. Nach einem Jahr Handelsschule wurde er mit 16 Jahren in die feldgraue Uniform des „Führers“ gesteckt. In Hamburg, einer Flakbatterie zugeteilt, bekam Rudolf Hilger bei schweren Luftangriffen eine überwältigende Demonstration von der Übermacht der Alliierten in der Endphase der Zweiten Weltkriegs. Glücklicherweise unversehrt wieder zurück in der Heimat, begann Rudolf Hilger im Jahr 1945 seine Lehre bei der Amtsverwaltung in Kornelimünster. Das erste Nachkriegsjahr brachte den zugehörigen Gemeinden Kornelimünster und Walheim mit der Wahl vom 15. September 1946 die ersten frei gewählten Gemeinderäte, welche die von der Militärregierung am 7. Februar 1946 ernannten Räte ablösten. An das Ende seiner Lehrzeit als Mitarbeiter der Gemeindekasse im Sommer 1948 fiel die Währungsreform, die wichtigste wirtschaftliche Zäsur im freien Teil Deutschlands, aus dem 1949 die BRD wurde. Bereits hier ist ersichtlich, welche zeitgeschichtlichen Höhen und Tiefen ein gerade 20-jähriger bereits erlebt hatte! Erst vor wenigen Tagen, zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz am 27. Januar 1945, wurde beim Bericht einer der letzten noch lebenden Zeitzeug*innen des Holocaust, Inge Auerbacher, der ungeheuer tiefe Eindruck des nüchternen Life-Berichtes deutlich, vor allem auf die Nachgeborenen, nach mehr als 75 Jahren! Deshalb waren die Erinnerungen Rudolf Hilgers, eines der wenigen örtlichen Zeitzeugen, bei der Aufarbeitung der Schicksale jüdischer Bürger von Kornelimünster so wertvoll. Sie halfen wesentlich beim Gedenken für die Holocaustopfer des Ortes (2013) und bei dem Buch: „Geschichte und Schicksal der Juden von Kornelimünster“ (2018). Beide gingen auf Initiativen des Heimat- und Eifelvereins e. V. zurück.
Als massgeblicher Beschaffer der Originalunterlagen aus US-amerikanischen Militärarchiven arbeitete Rudolf Hilger mit im elfköpfigen Arbeitskreis „September 1944.“ Seine Arbeit diente der umfassenden Wanderausstellung (Kornelimünster/ Breinig/ Venwegen/ Walheim) von 1994, zum 50. Jahrestag des Einmarschs der US-Army in unsere münsterländische Heimat. Zur Ausstellung wurde ein umfassender Begleitbericht von 136 Seiten erarbeitet. Ebenfalls erschien zum gleichen Anlass das Buch „Venwegen – Mulartshütte / Krieg – Erlebnisse – Schicksale,“ Redaktion: R. Hilger/ A. Schweitzer/ H. v. d. Stein // Hsg. AK Heimat u. Geschichte d. Pfarre St. Brigida 1994. Eine Würdigung Rudolf Hilgers muss auf seine umfangreichen Arbeiten für die Geschichte von Venwegen und seiner Pfarre St. Brigida hinweisen. Dazu gehören folgende Titel: „200 Jahre Pfarrkirche St. Brigida(1984). Autoren: R. Hilger/ A. Schweitzer
„700 Jahre Venwegen“(2003). Autoren: J. Hamacher/ R. Hilger/ A. Schweitzer/ H. v. d. Stein „Findbuch Pfarrarchiv St. Brigida“(2009). Autoren: Dr. J. Reuter, R. Hilger et al. (nach fünfjähriger Arbeit)